Das Erinnern wach halten
21. Mai 2016
Grußwort zur Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA Sachsen e.V. am 23.04.2016 in Dresden
Liebe Delegierte, liebe Gäste,
zu Eurer Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA Sachsen 2016 überbringe ich Euch die herzlichen Grüße des Bundesprecherkreises der VVN-BdA.
Gern nehme ich heute persönlich an Eurer Beratung teil, während meine Ko-Vorsitzende, Cornelia Kerth, heute die Aktionskonferenz gegen Rassismus in Frankfurt besucht, die von der VVN-BdA aktiv unterstützt und auch inhaltlich begleitet wird. Unser Bundesgeschäftsführer, Thomas Willms, hat großen Anteil an der Ausarbeitung eines kurzen Schulungsprogramms, mit dem sich bundesweit tausende Multiplikatoren auf eine effektive Auseinandersetzung mit dem Rassismus und anderen Grundwerteverletzungen, insbesondere der AfD, vertraut machen sollen.
Da sind wir auch bereits bei einer zentralen Herausforderung, vor der die VVN-BdA und alle Demokraten im Lande stehen. Wie kann der rassistischen Mobilisierung der AfD und ihres außerparlamentarischen PEGIDA-Ablegers effektiv entgegengetreten werden? Wie kann es gelingen, die Demokraten im Kampf gegen die AfD zu einen?
Bisher ist es in der letzten Landtagsfraktion der NPD in Mecklenburg-Vorpommern gelungen, mit dem „Schweriner Weg“ die NPD auszugrenzen und ihr in den Debatten jeweils mit einer Rede eines demokratischen Abgeordneten im Landtag entgegenzutreten. Mittlerweile sind dutzende Kader aus ganz Deutschland durch die Schule der NPD-Landtagsfraktion gegangen. Millionen Euro staatlicher Mittel sind über die NPD in die Nazi-Szene geflossen und haben sie gestärkt. Vielleicht gelingt es, mit einem NPD-Verbot diesen Geldfluss zu verhindern und die Nazi-Szene damit deutlich zu schwächen. Wenn dies gelingen sollte, hat die VVN-BdA mit ihren beiden Verbotskampagnen einen wichtigen Beitrag dazu geleistet.
In der Auseinandersetzung mit der AfD wird es schwieriger, eine gemeinsame demokratische Strategie zu finden. Ministerpräsident Sellering aus Mecklenburg-Vorpommern hat bereits kürzlich in der Süddeutschen Zeitung angedeutet, dass es wegen der AfD keinen „Schweriner Weg“ geben wird. Wenn AfD-Politiker im Herbst in weitere Landtage einziehen, müssen sie in der parlamentarischen Debatte und in den Medien gestellt werden. Die Einschätzung, dass diese Partei eine rechtsextreme oder in unserem Verständnis neofaschistische sei, wie sie der Rechtsextremismusforscher Prof. Hajo Funke auf dem gewerkschaftlichen „Ratschlag gegen Rechts“ in Schwerin vor einer Woche abgab, wird leider nicht von allen demokratischen Parteien geteilt.
Leider sind die Schnittmengen der AfD zu anderen Parteien zu groß, um eine Anti-AfD-Front aller Demokraten bilden zu können. Bisher haben sich Medien auch häufig darauf beschränkt, rassistische Äußerungen der AfD anzuprangern, personelle Kontinuitäten von AfD-lern in der rechten Szene oder gar die Zusammenarbeit mit Nazis aufzuzeigen, etwa bei kommunalen Abstimmungen von AfD und NPD gegen Flüchtlingsheime und gegen das Kirchenasyl. Das ist sicher verdienstvoll.
Die Auseinandersetzung mit den Angriffen der AfD-Programmatik auf Grundwerte unserer Gesellschaft und auf Verfassungsgrundsätze, wie das Asylrecht, die Religionsfreiheit und die Gleichstellung von Mann und Frau werden noch zu zaghaft geführt. Hier sollte sich die VVN-BdA einmischen, z.B. mit einer Erneuerung ihrer erfolgreichen Neofaschismusausstellung und dabei mit einem verstärkten Fokus auf die AfD und bei der Unterstützung antirassistischer Initiativen.
Auch in der Gedenkpolitik kann die VVN-BdA ihre Erfahrungen und Potentiale einbringen. Zum Glück ist es gelungen, in Ost und West vergessene oder gar geleugnete Opfergruppen des NS-Regimes mit unzähligen Maßnahmen aus der geschichtlichen Versenkung zu heben und ihnen ein würdiges Gedenken zukommen zu lassen. Mit Alibi-Opfergruppen-Vertretern in einigen Gedenkstätten wird man aber nicht der geschichtlichen Realität gerecht, in der sich ganz unterschiedliche Opferzahlen in den einzelnen Opfergruppen und ein sehr differenzierter Widerstand finden. Die Berliner Ausstellung „Arbeiterwiederstand“ bietet hierbei eine angemessene und geschichtstreue Alternative.
Uns als VVN-BdA obliegt es, dazu beizutragen, dass diese Gedenklücken gefüllt werden. Wir können uns um die vergessenen Gedenkorte des Faschismus kümmern, wie z.B. um ein Denkmal für jüdische Ärzte in Ückermünde, die im Spanischen Bürgerkrieg den Nazis entgegentraten, oder bei der Wiederbelebung der Gedenkstätte in Sonnenburg mit Hilfe der Berliner VVN-BdA. Im KZ Sonnenburg war unter anderem der Friedensnobelpreisträger Karl von Ossietzky gefoltert worden, dessen Folterer 1947 in Schwerin zum Tode verurteilt wurde. Beide Tatsachen sollten Teil unserer Gedenkgeschichte sein.
Wir können mit unseren Erinnerungen und denen unserer bereits verstorbenen Kameraden die Erinnerungen an Faschismus und Widerstand wachhalten. Schreibt Eure Erinnerungen auf und bringt sie und die Eurer Kameraden an die Öffentlichkeit. So haben wir es mit den Erinnerungen des VVN-Gründers in Schwerin Kurt Schliwski gemacht, die die Schriftstellerin Regina Scheer nach Interviews bereits in den 80er Jahren aufschrieb und die die VVN-BdA nun veröffentlicht hat.
Über die Zukunft des Gedenkens, den angemessenen Umgang mit Opfern und Widerstand gegen den Faschismus, die wirksame Ansprache der jungen Generation und die Nutzung moderner Medien dabei – über all diese Fragen werden wir auf unseren Geschichtskongress Ende Mai in Köln sprechen. Ich hoffe auf Eure Unterstützung und Eure Ideen dabei.
Im vergangenen Jahr haben viele Veranstaltungen der VVN-BdA zum 70. Jahrestag der Befreiung stattgefunden oder wurden von unserem Verband begleitet. Ich selbst habe dazu in Berlin und Esterwegen gesprochen und an einer Konferenz in Moskau teilgenommen. Lasst uns gemeinsam mit dem gleichen Engagement und mit neuen Ideen im nächsten Jahr unseren eigenen 70. Geburtstag der VVN-BdA begehen.
Axel Holz, Bundesvorsitzender der VVN-BdA