Entschließung der Landesdelegiertenkonferenz 2016

21. Mai 2016

1. Der VVN-BdA als gesellschaftlicher Akteur

Als älteste Gemeinschaft Verfolgter des Faschismus in Deutschland wissen wir, was Verfolgung, Widerstand, Exil und Krieg bedeuten. Deshalb sehen wir mit Sorge ein Anwachsen faschistischer sowie fremdenfeindlicher Gesinnung bis in die sogenannte Mitte der Gesellschaft. Es entwickeln sich stabile faschistoide Strukturen jenseits von NPD und rechten Kameradschaften. Von einer Gemeinschaft von Zeitzeugen des Faschismus wandelt sich der VVN-BdA zum Träger, Initiator und Organisator sowie Wahrer eines breiten antifaschistischen Politikverständnisses. Aber die ansehnlichen Aktivitäten des Landesverbandes werden von zu wenigen getragen, wir brauchen mehr aktive und neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter.
Nur eine intensive Bündnisarbeit mit lokalen und regionalen Akteuren sowie auf Landesebene kann eine wirksame antifaschistische Arbeit sichern. Der neue Landesvorstand wird beauftragt, einen ständigen „Runden Tisch ‚Antifaschismus’“ zu organisieren.

2. Wie erreichen wir Fortschritte in der öffentlichen Wahrnehmung?

Auf allen Ebenen organisieren wir die Beteiligung an Aktivitäten gegen Krieg, Nationalismus und Völkerhass. Unsere Fahnen, Transparente und Stimmen müssen erkennbar sein. Durch Mitarbeit in kommunalen, gewerkschaftlichen und politischen Gremien, Initiierung von Beschlussanträgen in Gemeinden und Städten für antifaschistische Initiativen, Erinnerungen und Ehrungen sorgen wir für die Durchsetzung unseres antifaschistischen Politikverständnisses. Durch systematische und professionelle Nutzung aller Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit – Flyer, Zeitungen, Verbandspresse – wird unsere Stimme hörbar. Zeitgemäße Kommunikationsformen, sowohl innerhalb des Verbandes als auch darüber hinaus, das Internet und soziale Medien, können für uns nicht tabu sein. Beim Landesvorstand ist eine AG Öffentlichkeitsarbeit zu bilden. Es gilt, insbesondere auf aktuelle Anlässe rasch mit eigenen Standpunkten zu reagieren.

3. Stärkung des Verbandes und Intensivierung des Verbandslebens

Unser Verband lebt durch die Mitglieder, deshalb ist der Gewinnung neuer Mitglieder besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Wirksamkeit der Verbandsarbeit ist auf allen Ebenen zu sichern, indem Erfahrungsträger wie ausgewiesene Wissenschaftler, politische Akteure, Gewerkschaftsfunktionäre, Mitglieder von Vereinen und Verbänden sowohl als Kooperations- und Bündnispartner für führende Positionen im Verband gewonnen werden. Insbesondere durch den Landesvorstand ist neben Mitgliedsbeiträgen die Nutzung alternativer Finanzierungsquellen zur Sicherung des Verbandslebens anzuregen und zu steuern – und das möglichst langfristig, mit entsprechendem Vorlauf. Als Mitglied der FIR setzen wir uns vereint für die Erhaltung des Friedens, den Stopp der Rüstungsindustrie, internationale Solidarität und Menschenrechte ein. Die Kontakte zu Partnerorganisationen der Nachbarländer sind fortzusetzen und wo möglich zu intensivieren und sachsenweit zu nutzen, Begegnungen und Zusammenarbeit müssen Normalität sein. Dem erkennbaren Rechtsruck in Europa, dem Neofaschismus, dem Rechtspopulismus und dem Geschichtsrevisionismus müssen auch wir uns entgegenstellen.

4. Erinnerungsarbeit und Gedenkorte – Gedenkstätten „Wir lassen über Geschichte kein Gras wachsen“

Gedenkorte und Gedenkstätten spielen eine zentrale Rolle bei der Erinnerungsarbeit. Wir betrachten Erinnerung als eine Form der Prävention. Im Sinne unserer Ehrenvorsitzenden Esther Bejerano „Ihr seid nicht schuld an der ganzen Sache, die damals war, aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Geschichte wissen wollt.“ Öffentlichkeitswirksam sind regelmäßige Veranstaltungen unter Einbeziehung einer großen Zahl unserer Mitglieder und lokaler Akteure durchzuführen. Unter anderem sollten Sitzungen und Veranstaltungen aller Gliederungen des sächsischen VVN-BdA in geeigneten Gedenkstätten stattfinden. Öffentliche Veranstaltungen sollten über die entsprechenden Foren beworben werden.
Die Gedenkarbeit ist zu begleiten von der Übernahme von Patenschaften für Gedenkorte durch Schulklassen oder Arbeitsgemeinschaften. Der neue Landesvorstand wird beauftragt, langfristig einen sächsischer Gedenkkalender zu entwickeln, der den Basisorganisationen eine Orientierung für inhaltliche Schwerpunkte geben kann. Bestandteil des Gedenkkalenders sollte eine Übersicht von Gedenkstätten in Sachsen sein.
Die VVN-BdA Sachsen beteiligt sich weiterhin an den erinnerungspolitischen Fachtagungen z. B. der Evangelischen Hochschule Dresden. Der Landesvorstand konzentriert sich auf die Bewahrung und Aufrechterhaltung der sächsischen antifaschistischen Traditionen: In Schulen, Gedenkveranstaltungen, Foren sowie anderen Anlässen sind durch noch lebende Zeitzeugen, Vertretern der 2./ 3. Generation das Leben und der Kampf der Antifaschisten, Personen aller Opfergruppen, die unter den deutscher Faschisten verfolgt, verurteilt und ermordet wurden, noch stärker in das Bewusstsein der lebenden Generationen zu rufen. Einsatz für die Erhaltung und Pflege von bestehenden Denkmalen in Sachsen, die an die Verbrechen der Nationalsozialisten erinnern. Der Stiftung Sächsische Gedenkstätten auf der Basis der arbeitenden Historikern in den Regionen Vorschläge für neue Erinnerungsorte zu unterbreiten; Hinweise für den Erhalt bestehender Denkmale zu geben, damit diese nicht weiter dem Verfall unterliegen. Stärkere Unterstützung (ideell, finanziell…) von bestehenden regionalen ehrenamtlich arbeitenden Arbeitsgruppen, die sich mit der Aufarbeitung der Verbrechen der deutschen Faschisten 1933 – 1945 beschäftigen.
Eine besondere umfassende Unterstützung bedarf die „Atlas-Gruppe“ unter Dr. Brenner und die LAG KZ Sachsenburg, damit die geforderte Gedenkstätte „Frühes KZ Sachsenburg 1933 – 1937“ zur Realität wird. Wege zur Sicherung von Unterlagen, Dokumenten sowie Gegenständen, die von Widerstandskämpfern und deren Angehörigen den VVN/ BdA in Sachsen übergeben wurden. Dazu sind mit den staatlichen Archiven konkrete Vereinbarungen über die Einlagerung und dem Kreis der Nutzer für Forschungen zu treffen.

5. Stiftung Sächsische Gedenkstätten (StSG)

Der VVN-BdA unterstützt alle Aktivitäten, die die Umsetzung bereits beschlossener Vorhaben fördern und zu einer sachlichen Bewertung der Wirksamkeit der Arbeit der Stiftung beitragen. In regelmäßigen Abständen werden die vom Landesverband verfolgten Vorhaben und Konzepte hinsichtlich der Realisierung bewertet und die nächsten Schritte festgelegt. Die Fixierung der Erinnerungsarbeit ausschließlich auf einzelne Opfergruppen ist nicht zu akzeptieren. In den letzten Jahren entfielen nur etwa 15% der Mittel für Projekte und Einrichtungen, in Verantwortung der Stiftung, auf die Erinnerung an NS-Opfer. Es muss sichergestellt werden, dass der NS-Zeit in der sächsischen Erinnerungspolitik eine stärkere Rolle zukommt. Der Landesvorstand führt regelmäßig Gespräche mit den demokratischen Fraktionen im Landtag zur Gedenkstättenpolitik. Kritik, Anfragen und Vorschläge für die Gestaltung von Gedenkstätten werden in der Landesgeschäftsstelle gebündelt und über den Beirat der StSG thematisiert. Einmal jährlich lädt der Landesvorstand Verbände und Initiativen, die sich antifaschistisch engagieren, zu einem informellen Austausch über die Gedenkstättenarbeit ein. Alle Vorhaben zum Gedenken und zum Erhalt bzw. zur Weiterentwicklung von Gedenkstätten sind langfristig zu planen und es ist frühzeitig eine Förderung durch die StSG zu beantragen.

6. Soziale Betreuung

Zusammengehörigkeitsgefühl muss die politische Überzeugung im VVN-BdA ergänzen – dafür sind entsprechende Höhepunkte im Jahr zu planen. Der Betreuung der älteren Kameradinnen und Kameraden muss großes Augenmerk geschenkt werden. Sie müssen merken und spüren, dass es die VVN-BdA gibt. Auf allen Organisationsebenen sind Verantwortlichkeiten für die Mitgliederbetreuung festzulegen. ln Abhängigkeit von den lokalen Gegebenheiten sind Formen der regelmäßigen Betreuung zu sichern, wie z.B. persönliche Besuche, Teilnahme an Veranstaltungen des Verbandes.

7. Jugendarbeit und Nachwuchsarbeit

Der Landesvorstand wird beauftragt einen Jugend- Nachwuchskoordinator*in zu benennen und seine/ihre Befugnisse festzulegen. Für die Zukunft unseres Verbandes, für unsere antifaschistische Arbeit, ist die Arbeit mit jungen Menschen dringendst geboten. Es wird die Bildung einer Arbeitsgruppe Jugend und Nachwuchsarbeit unter Einbeziehung möglichst aller Strukturen im LV Sachsen empfohlen. Zukünftig ist dafür ein eigenen Budgets einzuplanen.