4. Wie bewertet ihre Partei das staatliche Agieren gegen antifaschistische Organisationen und Demonstrationen in der Vergangenheit in Sachsen? Sehen Sie Veränderungsbedarf? Welche Position hat ihre Partei zu Erhalt und Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz?
19. August 2019
CDU: Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat, so dass alles staatliche Handeln stets an Recht und Gesetz gebunden ist. Antifaschistisches Engagement, das sich im Rahmen der Sächsischen Verfassung, des Grundgesetzes und der entsprechenden Gesetze bewegt wird in Sachsen durch staatliches Handeln nicht verfolgt oder kriminalisiert. Allerdings ist es durchaus sichtbar, dass es extremistische Bestrebungen von Personen, Gruppen und Parteien gibt, welche andere – insbesondere als politischen oder weltanschaulichen Gegner angesehene – zum Beispiel öffentlich kriminalisieren, beispielsweise auch in Sozialen Netzwerken zum Beispiel auf sogenannten Schwarzen Listen denunzieren.
Solche Bestrebungen und Aktivitäten lehnen wir als CDU konsequent ab und wir setzen uns für einen starken Staat ein, welcher solche Aktivitäten frühzeitig durch den Verfassungsschutz beobachtet und erkennt und dann, wenn sie die Schwelle zu einer Straftat überschreiten, diese auch konsequent mit den Mitteln des Rechtsstaates verhindert, unterbindet und bestraft. Dabei ist auch die private Wirtschaft in der Pflicht und wird in die Pflicht genommen. Das im Bund durchgesetzte Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist dabei ein
Beispiel, wie Denunziation und Hass in der digitalen Welt entgegengetreten wird.
Das Landesamt für Verfassungsschutz ist ein zentraler Pfeiler der sächsischen Sicherheitsarchitektur und damit unverzichtbar für die Sicherheit im Freistaat Sachsen. Sind strafrechtlich relevante Aktivitäten vorhanden, so werden diese dann durch Polizei und Justiz zu verfolgt und beendet.
DIE LINKE: Die Sachsen-CDU hat rechte Umtriebe immer verharmlost. Gleichzeitig galt und gilt ihr eine aktive Zivilgesellschaft als Unruheherd und nicht als Verbündeter, es gibt zahlreiche Beispiele für versuchte und erfolgte Kriminalisierung antifaschistischen Engagements – von der „Demokratieerklärung“ bis hin zu Strafprozessen. Veränderungsbedarf sehen wir hier in einem Mentalitätswechsel – zivilgesellschaftlich Engagierte sind Partner staatlichen Handelns, sofern sie sich im Rahmen des Grundgesetzes für die Demokratie engagieren. Auch im antifaschistischen Kampf gilt, dass Prävention besser und wirksamer ist als Repression, wenngleich beide Säulen ausreichend beachtet werden müssen. In der oben erwähnten Broschüre finden sich auch dazu Forderungen: Die Staatsregierung muss die Landesförderung bedeutsamer, bewährter und erfolgreich evaluierter zivilgesellschaftlicher Projekte vollständig entfristen. Künftig sollen für die Beratungsstellen für Betroffene rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt (RAA Sachsen/RAA Leipzig) sowie die Mobilen Beratungs-teams (Kulturbüro Sachsen) pro Jahr aus einem ständigen Fonds oder einem anderen Instrument, das eine langjährige Finanzierung sichert, jeweils mindestens eine Million Euro ausgereicht werden. Diese Mittelausstattung ermöglicht Planungssicherheit für die Abdeckung einer absehbar langfristig bemessenen Aufgabe, derer sich qualifiziertes Personal annehmen muss, ferner die sukzessive inhaltliche Weiterentwicklung und die flächendeckende Verfügbarkeit der Beratungsangebote. Der ständige Fonds soll darüber hinaus pro Jahr jeweils eine weitere Million Euro für Antidiskriminierungs- und rassismuskritische Projekte – zum Beispiel das Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC) und das Antidiskriminierungsbüro (ADB) – ausreichen.
Zivilgesellschaftliches und bürgerschaftliches Engagement sind von anhaltender Bedeutung. Die kritische Auseinandersetzung mit nicht- und antidemokratischen Einstellungen und Handlungen, mit Gefährdungen des sozialen Friedens und Fragen gerechter Partizipation aller bleibt nach realistischer Voraussicht eine Daueraufgabe von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Angesichts dieser Bedeutung ist es konsequent, die Demokratieförderung im Freistaat Sachsen durch ein Landesgesetz zu verstetigen. Es soll die Finanzierung einer staatlich unabhängigen Bildungsarbeit dauerhaft absichern helfen und könnte auf dem bisherigen WOS-Programm als Kernbestandteil aufsetzen.
Das erfolgreiche Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen“ muss, seinen weitreichenden Zielen gemäß, finanziell abgesichert sein und den unterstützen Projekten finanzielle Sicherheit gewähren können. Über die bisherige Gesamtförderung hinaus soll das WOS-Programm regelmäßig dahingehend überprüft werden, ob die bisherige Förderung auskömmlich ist und den Projektbeschäftigten ein angemessenes Entgelt gezahlt werden kann.
Das Demokratie-Zentrum Sachsen zur Koordinierung der Projekte und Maßnahmen der Demokratieförderung ist an einen freien Träger auszulagern, um die Unabhängigkeit zivilgesellschaftlicher Arbeit zu gewährleisten. Die Landeskoordinierungsstelle des Demokratie-Zentrum Sachsen unterstützt die freien Träger bei der Ausübung ihrer Tätigkeit und anerkennt deren Autonomie. Diese Landeskoordinierungsstelle soll langfristig im Bereich der Staatsministerin für Gleichstellung und Integration angesiedelt sein und bleiben.
Staatliche Zuwendungsgeber sollen keinen Einfluss auf die Aus-gestaltung der konkreten Arbeit und der angewandten Methoden oder auf Entscheidungen innerhalb der freien Träger nehmen. Etwaige Nachweis- und Meldepflichten gegenüber Zuwendungsgebern sind so zu gestalten, dass die fachliche Arbeit und die angewandten Methoden der freien Träger dadurch nicht beeinträchtigt werden. Die Überprüfung von Demokratieprojekten durch den Verfassungsschutz ist – wenn noch nicht geschehen – sofort zu be-enden.
Um die Fachlichkeit des Personals der zivilgesellschaftlichen Träger zu gewährleisten, muss eine leistungsadäquate Bezahlung, angelehnt an die tariflichen Vereinbarungen im öffentlichen Dienst, ermöglicht werden. Dieser Grundsatz ist auch bei der Bemessung künftiger Zuwendungen zu berücksichtigen. Bei der Entwicklung von Programmen zur Demokratieförderung sind die Erfahrungen der unterschiedlichen Träger und Netzwerke zivilgesellschaftlicher Arbeit in Sachsen regelmäßig einzubeziehen. Die freien Träger und Netzwerke müssen dabei eine ständige Mitsprachemöglichkeit erhalten. In den Beiräten und Gremien zur Durchführung von Maßnahmen und Programmen müssen staatlich un-abhängige Träger ebenfalls beteiligt werden und eine Mitsprachemöglichkeit erhalten.
Auf das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) ist aus unserer Sicht kein Verlass, wenn es um die Abwehr verfassungsfeindlicher Bewegungen geht. Unsere Erfahrungen mit dieser Behörde stützen keineswegs die These, dieser Geheimdienst schütze die Demokratie vor Gefahren. Im Gegenteil: Das Amt an sich ist hoch problematisch. Im Kampf gegen zentrale Bedrohungen, etwa rechtsterroristische Zellen wie den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU), erwies er sich eher als hinderlich denn als hilfreich. Stattdessen agiert das LfV vor allem politisch und übt die Definitionsgewalt über politische Einstellungen aus, die als extremistisch kategorisiert werden. Das wollen wir ändern und die Öffentlichkeitsarbeit über den Verfassungsschutz-Bericht, vor allem aber politische Bildungsarbeit im Sinne der Extremismus-Theorie beenden. Das verfassungsrechtliche Trennungsgebot zwischen nachrichtendienstlicher Tätigkeit und polizeilicher Arbeit ist für uns unumstößlich. Dies bedeutet auch, dass wir sowohl eine „Vergeheimdienstlichung“ der Polizei ablehnen als auch repressive Maßnahmen wie Berufsverbote bei Mitgliedschaft in als extremistisch eingestuften Organisationen. Im Ergebnis unserer Abwägungen bleibt es uns ein zentrales Anliegen, das Landesamt für Verfassungsschutz aufzulösen. Bis zu seiner Auflösung treten für ei-ne tatsächliche und wirksame parlamentarische Kontrolle des LfV zum Schutz der Verfassung und der mit ihr garantierten Grundrechte und Grundfreiheiten der Bürgerinnen und Bürger ein.
Was den aktuellen Verfassungsschutzbericht angeht, so ist die Kernbotschaft in etwa die gleiche wie in den Vorjahren: Die extreme Rechte ist in Sachsen deutlich im Aufwind, speziell die Neonazi-Szene floriert. Sie kann hier auf etliche Immobilien zurückgreifen, die ihr ein „zunehmendes Aktivitätsniveau“ ermöglichen. Sie bedient sich harmlos daherkommender Vorfeldvereine oder gründet sie gleich selbst. Alarmierend vor allem: Das Gewaltpotenzial wächst, Teile der Szene bereiten sich durch „Kampfsport“ gezielt auf körperliche Auseinandersetzungen vor. Auch im Hinblick auf die Wahlkämpfe in diesem Jahr rechnet die Behörde mit Übergriffen. Das ist äußerst bedenklich – aber überhaupt nicht neu, sondern leider ein langfristiger Trend. Was der sächsische Geheimdienst dazu auf rund 300 Seiten auswalzt, ist analytisch genauso dürre und unnütz wie in den Jahren zuvor. Nach Ursachen fragt das LfV wohlweislich kaum. Zu ihnen gehört nämlich, dass die Staatsregierung trotz der bekannten und gefährlichen Tendenzen bis heute kein Gegenkonzept vorgelegt hat. So ist die An-kündigung des Ministerpräsidenten Kretschmer, man wolle „rechtsextreme Netzwerke zerschlagen“, folgenlos verpufft.
Dabei gibt es genug Ansatzpunkte, einzuschreiten – etwa gegen die Neonazi-Partei „Der III. Weg“ als einer der „expansivsten rechtsextremistischen Strukturen in Sachsen“. Sorge bereiten sollte auch, dass im vergangenen Jahr mit „Revolution Chemnitz“ erneut eine mutmaßlich rechtsterroristische Vereinigung entstanden ist. Doch an ihrer Aufdeckung hatte das LfV Sachsen offenbar keinen Anteil. Richtig liegt das LfV, wenn es u.a. ausgehend von der Eskalation in Chemnitz konstatiert, dass die extreme Rechte erheblichen
Einfluss auf „all-gemeine gesellschaftliche Diskussionen und politische Prozesse“ nehmen kann. Die AfD als einen zentralen Akteur benennt die Behörde nicht.
GRÜNE: Wir GRÜNEN haben die Verfolgung von linken oder antifaschistischen Strukturen oder Engagement immer kritisch gesehen, wenn sie den Eindruck erweckt haben, sie seien politisch motiviert gewesen. So haben wir die Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung oder Landfriedensbruch gegen Personen, die sich an den Protesten gegen die Naziaufmärsche z.B. 2011 beteiligt haben oder die genutzt wurden, um ohne konkrete Anhaltspunkte Strukturermittlungen in der linken Szene vorzunehmen, immer kritisiert. Tatsache ist, dass antifaschistisches Engagement oder einfach Zivilcourage in Sachsen seit Jahren kriminalisiert oder mit der besonders stigmatisierenden Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes bedacht wurden. Auch das sind Gründe für das neuerliche Erstarken der extremen Rechten in Sachsen.
Wir GRÜNEN unterstützen mit konsequenter Haltung für Menschlichkeit und gegen die Feinde der Freiheit diejenigen, die sich Neonazis entgegenstellen. Wir wollen die Demokratieförderung weiter stärken und klare Kante gegen Rechtsextremismus auf allen politischen und staatlichen Ebenen zeigen.
In den letzten Jahren wurde insbesondere im Zusammenhang mit den Morden des NSU, aber auch im Umgang mit anderen rechtsterroristischen Gruppierungen deutlich, dass der Verfassungsschutz versagt hat und nicht reformierbar ist. Wir GRÜNEN fordern daher die Auflösung des derzeitigen Verfassungsschutzes und die Neugründung einer gut kontrollierten Terrorabwehrbehörde. Ein einzurichtende Forschungsstelle für Demokratie soll sich mit antidemokratischen und menschenfeindlichen Tendenzen in Sachsen wissenschaftlich auseinandersetzen und über Entwicklungen informieren.
FDP: Die Demonstrationsfreiheit ist ein hohes Gut in unserer Gesellschaft. Das Versammlungsrecht wird durch uns nicht angetastet. Wird jedoch zu Gewalt aus Demonstrationen heraus aufgerufen oder von der Versammlung Gewalt ausgeübt, dann findet dies keine Unterstützung durch uns. Wir sprechen uns konsequent gegen jede Form von Gewalt gegen Polizisten, Menschen im Allgemeinen und gegen Sachen aus.
Das Landesamt für Verfassungsschutz soll im ersten Schritt als Abteilung in das Innenministerium integriert werden. Langfristig wollen wir prüfen, ob ein Mitteldeutscher Dienst oder eine Außenstelle des Bundesamtes für Verfassungsschutz an die Stelle des jetzigen LfV treten soll.
DIE PARTEI: Bisher ist es uns nicht gelungen im Verfassungschutzbericht zu erscheinen, aber wir arbeiten verstärkt daran diese weithin bekannte Werbeplattform (Verfassungsschutzbericht) des Antifaschismus nutzen zu können.