Ausstellung im Kaßberg-Gefängnis fertig gestellt.
17. April 2024
Am 11. April wurde mit einer feierlichen Begehung die 3. Etage des einstigen Gefängnisses auf dem Kaßberg der Öffentlichkeit übergeben und die Gedenkstätte gilt somit als fertig gestellt. Mit der Darstellung der Leidenszeit von Verfolgten des Naziregimes und Chemnitzer Widerstandskämpfern wird nun auch der Opfer des Faschismus gedacht. Der Kurator der Ausstellung Peter Wellach führte durch die gelungene, modern gestaltete, exzellent ausgerichtete Exposition und die historischen Räume. Der Vorsitzende des Trägervereins Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis Jürgen Renz gab in seiner Eröffnungsrede seiner Freude Ausdruck, dass es neben des Schwerpunktes „Häftlings-Freikaufs“ zu Zeiten der DDR nun ein vollständiges Bild der Ortsgeschichte präsentiert werden kann. Bereits im Oktober 2023 war die Einweihung der beiden ersten Etagen der Ausstellung unter großer öffentlicher Würdigung der Politik erfolgt. Bemerkenswert ist die nun erfolgte Einweihung, da seit Beginn der 1990er Jahre keine Einrichtung in der Stadt mehr an die Zeit des „Nationalsozialismus“ erinnerte, selbst KZ Gedenkstätten im Freistaat abgewickelt wurden und es nicht die eigentliche Pflicht gewesen wäre, sich im Kaßberg-Gefängnis mit der Geschichte von 1933 bis 1945 zu befassen. So lässt sich auch erklären, warum die lokale Opferorganisation der Verband der Verfolgten des Naziregimes, ihrer Hinterbliebenen und Freunde, die Entstehung der Gedenkstätte gegen verbandsinterne und Widerstände von außen seit 2011 befürwortete, unterstützte und sich in die Forschungsarbeit sowie Ausgestaltung mit ehrenamtlichen Kräften einbrachte. Zur Eröffnung waren Angehörige und Freunde der Inhaftierten, Vertreter der Vereine und auch einige Lokalpolitiker und Journalisten vor Ort. Das große politische Interesse zeigte sich in der Teilnahme etwa namhafter Politiker aus Sachsen oder der Stadt Chemnitz nicht. Zeitzeugen konnten ebenso nicht begrüßt werden, die beiden bekannten, Marga Simon und Günther Wach, hatten aus gesundheitlichen Gründen absagen müssen. Sichtlich ergriffen, gerührt und mit großer Freude nahm Marion Rotstein als Hinterbliebene des Chemnitzer Ehrenbürgers Sigmund Rotstein und seines im Kaßberg inhaftierten Vaters Jankel Rotstein, an der Veranstaltung teil und gab Auskunft über die Geschichte ihres Großvaters, der seit 1920 in Chemnitz lebte und ab 1933 der Verfolgung und Entrechtung als Jude ausgesetzt war und schlussendlich im Ghetto von Warschau 1941 an den Umständen der Internierung, die auf den Tot der Menschen abzielte, verstarb. Ein Stolperstein erinnert an ihn an der Ludwig-Kirsch-Straße 1 in Chemnitz. Auch die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Chemnitz Dr. Ruth Röcher gab ihrer Freude Ausdruck und Beschrieb die Möglichkeiten, die der Gedenkort für die Bildungsarbeit bereits jetzt schon bereit hält. Offensichtlich keinen Endpunkt in der Gestaltung der Ausstellung und der Ausrichtung des Ortes wollte der Vorsitzende des VVN Chemnitz sehen, der darauf hinwies, dass der Trägerverein mit der Würdigung des Nazikollaborateurs Heinz Wesche, eigene Ansprüche an die Ausstellung nicht erfüllt, ja gerade zu verletze und diese „Würdigung“ einen Affront gegenüber allen anderen zu Recht gewürdigten Inhaftierten darstelle. Enrico Hilbert forderte auf, weiter zu arbeiten, die Gedenkzelle zu verändern, und den einstigen Stadtrat Max Saupe zu würdigen. Ebenso kritisiert wurde der unwissenschaftliche, unsägliche, eher einer Agitation-und-Propaganda-Maßnahme gleichende Gedenkstein an der Außenmauer der Gedenkstätte kritisiert, der pauschal die Zeit zwischen 1945 und 1990 als kommunistische Gewaltherrschaft brandmarkt und somit weit hinter den aktuellen Stand der Aufarbeitung des Unrechts in der SBZ, in der DDR und durch die Institutionen des Staates und der SED zurückfällt und kaum etwas zur Bildung oder weiteren Aufarbeitung beitragen kann, sondern die historischen Zusammenhänge verwischt und eher emotionale politische Stimmung erzeugt. Erstaunlich dabei ist, dass Aktivisten des Vereins Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis wie der Politiker von B90/Grüne Volkmar Zschocke daran nichts verwerfliches finden, aber gerade eine Stele mit Worten von Bert Brecht in der Innenstadt mit Worten zum Kommunismus dringlich mit einem politisch korrekten Kommentar versehen haben möchte.
Es bleibt also eine Aufgabe aller Beteiligten der Opferverbände, der Vereine und der Chemnitzerinnen und Chemnitzer den Gedenkort auch für dieses Kapitel der Geschichte möglichst gemeinsam weiter zu entwickeln und nötige Veränderungen herbeizuführen. Dies wäre wohl auch in Zukunft ein Einzelfall in Sachsen. Zu wünschen bleibt den Aktivisten vor Ort, dass sie weiterhin auf die Zusammenarbeit mit beier+wellach projekte aus Berlin bauen könnten, der unbefangene Blick auf die Geschichte ist vor Ort spürbar.
Ludwig Löwe