Offener Brief an Ministerpräsident Tillich
2. September 2016
Zum Verhältnis von VVN-BdA Sachsen und der Stiftung Sächsische Gedenkstätten
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
mit großer Sorge verfolgen wir seit Monaten aktuelle Entwicklungen im Freistaat Sachsen. Als älteste antifaschistische Organisation – wir begehen 2017 den 70. Jahrestag der Gründung der VVN – fühlen wir uns in der Pflicht, über Ursachen und Folgen der Nazi-Ideologie und der Nazi-Diktatur aufzuklären und jeglichen Bestrebungen neonazistischer Umtriebe gemeinsam mit Bündnispartnern entgegen zu treten. Großen Raum nimmt dabei unsere Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit ein. Nicht immer erfahren wir dabei jedoch die notwendige Unterstützung.
„Genug ist genug!“, endete der Schriftverkehr seitens des Geschäftsführers der Stiftung Sächsische Gedenkstätten mit uns, den wir begannen, um eine Besichtigung der Gedenkstätte Bautzen mit anschließender Auswertung und Beratung unseres Landesvorstandes in der Gedenkstätte vorzubereiten.
Am 22.08.2016 baten wir den Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, uns am 15.09.2016 einen Rundgang zu ermöglichen und anschließend einen Raum zur Verfügung zu stellen. Darauf antwortete der Geschäftsführer am 28.08.2016, er sei gewillt uns entgegen zu kommen, forderte aber gleichzeitig, wir möchten Aussagen unserer Ersten Sprecherin vom Februar 2016 revidieren und behauptete, unser Vertreter im Stiftungsbeirat hätte Fehler unserer Verbandes in der Zusammenarbeit mit der Stiftung eingeräumt – was völlig aus der Luft gegriffen ist. Der von uns Beauftragte für die Vorbereitung der Sitzung suchte umgehend Beratung mit den Vorstandsmitgliedern, wurde aber schon drei Tage später, am 01.09.2016, im barschen Ton aufgefordert, „unverzüglich“ zu antworten, anderenfalls eine Landesvorstandssitzung der VVN-BdA Sachsen in der Gedenkstätte nicht genehmigt werden könne. „Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt. Genug ist Genug.“, endete die E-Mail. Am 02.09.2016 dann die endgültige Absage des stellvertretenden Geschäftsführers: „… unter den gegebenen Umständen ist die Durchführung Ihrer Vorstandssitzung in der Gedenkstätte Bautzen leider nicht möglich. Die in der ZEIT vom 11. Februar 2016 geäußerten ungerechtfertigten Vorwürfe – »Die Stiftung verschleppt die NS-Aufarbeitung in Bautzen genauso wie in Torgau. Wir werden nicht eingebunden, kommen keinen Schritt weiter. Die NS-Opferverbände sind sich in ihrer Kritik an der Stiftungsleitung einig. Die Zeit vor 1945 wird nicht angemessen berücksichtigt, die Zeit nach 1945 dagegen einseitig betont.« – stehen dem entgegen und müssen zunächst ‚aus der Welt geschafft‘ werden.“ Diese Entscheidung des Geschäftsführers lässt ein problematisches Verständnis von Meinungsfreiheit erkennen: nur wenn wir auf Kritik verzichten, bekommen wir einen Raum. Mit dem gesetzlichen Auftrag, „für Menschenwürde, Freiheit, Recht und Toleranz einzutreten und Gefährdungen dieser Grundwerte und der Demokratie wirkungsvoll zu begegnen“ (SächsGedenkStG), ist dies nicht vereinbar.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
wir sind empört über die Verhaltens- und Arbeitsweise des Geschäftsführers der Stiftung Sächsischer Gedenkstätten. Schon mehrmals wurde der Stil des Herrn Geschäftsführers öffentlich kritisiert. Auch Gespräche bei der Frau Minister Stange und Interventionen im Stiftungsrat und im Beirat blieben folgenlos. Nunmehr bitten wir Sie darauf einzuwirken, dass die Stiftung Sächsische Gedenkstätten dem nachkommt, was das Sächsische Gedenkstätten-Stiftungsgesetz für die Arbeit der Stiftung in der Präambel klar formuliert: „Dafür ist die Mitwirkung der Opfer sowie von bürgerschaftlichen Initiativen zur historischen Aufarbeitung von außerordentlicher Bedeutung.“ Dies scheint dem Geschäftsführer der Stiftung nicht klar zu sein.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
wir bemühen uns seit Jahren um eine gute und gedeihliche Zusammenarbeit mit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, erleben dabei aber immer wieder Missachtung und Behinderung. Sollten nun schon die minimalsten Anforderungen eines respektvollen Umgangs und der vom Gesetz geforderten Wertschätzung nicht mehr gegeben sein, stellt sich für uns erneut die Frage, ob durch den Geschäftsführer unsere Mitarbeit noch gewünscht ist.
Mit freundlichen Grüßen
Regina Elsner Prof. Dr. Uwe Hirschfeld
Erste Sprecherin Mitglied im Beirat der Stiftung Sächsische Gedenkstätten
Dresden, 20.09.2016