„Terrororganisation Antifa“ – Ein Ammenmärchen wandert von der USA ins Erzgebirge
16. Dezember 2025
Von den Romanen des großen Stefan Heym war mir „Schwarzenberg“ immer am wichtigsten. Nach dem Ende der Nazi-Diktatur wird im für einige Wochen unbesetzten Schwarzenberg versucht, mit einem antifaschistischen Aktionsausschuss den Traum von einer freien Republik, einer Demokratie von unten, unter größtmöglicher Einbeziehung aller Einwohner*innen zu verwirklichen. Natürlich ohne und gegen die Nazis. Ein Traum, ein schöner Traum. Er scheitert. Natürlich.
Politisch ist vom Traum der „freien Republik“ nichts geblieben. Die CDU ist mit ihren sieben Sitzen stärkste Fraktion im Stadtrat. Noch. Gefolgt von der AfD mit sechs Sitzen. Drittstärkste Kraft ist eine lokale Besonderheit, die „Freien Bürger Schwarzenberg“ mit 16,9 Prozent und vier Mandaten. Ihr Fraktionsvorsitzender, Jens Döbel, wurde bekannt als der Schöpfer des „Pegida-Galgens“ mit der Aufschrift „Volksverräter“. Obwohl die Gruppierung offiziell parteiungebunden ist, stellt sie faktisch den lokalen Ableger der Kleinpartei Freie Sachsen dar, der Konkurrenz der AfD von rechts. Zehn der 21 Sitze des Stadtrates sind also mit Vertretern der extremen Rechten besetzt.
Man kann es nur als mutig bezeichnen, wenn angesichts solcher Verhältnisse ein alternatives Projekt vor Ort, dessen Hausprojekt in der Vergangenheit wiederholt von Polizeiübergriffen betroffen war, für den 13.12. – den ACAB-Day – eine Demo gegen Polizeigewalt organisiert, auch in Solidarität mit den Angeklagten der Antifa-Ost.
Der weitere Verlauf war ein Lehrstück. Schnell wurde vor Ort das Gerücht hegemonial, die Demo richte sich gegen den Weihnachtsmarkt und die am gleichen Tag stattfindende traditionelle Bergparade. Natürlich kräftig befeuert von den Freien Sachsen, die gar von „Waffenlagern“ in dem Hausprojekt schwadronierten, und von rechten Medien wie „Compact“. „Aufgewacht“, das Monatsblatt der Freien Sachsen, titelte „Antifa-Terroristen – Von Hämmern zu Handschellen“.
Das Framing von Trump, Orban und anderen der Antifa als „Terror-Organisation“ war damit in der sächsischen Provinz angekommen. Zu den Folgen heißt es im Polizeibericht lapidar: „Im Bereich der Bahnhofstraße, kurz vor der Brücke über das Schwarzwasser, versuchten rund 120 Personen aus dem Gegenprotest an das Ende des Aufzuges zu gelangen. Als mehrere Personen die Polizeiabsperrung durchbrachen, musste die Gruppierung zurückgedrängt werden. Es kam zum Einsatz von Pfefferspray.“ Mehrere hundert Neonazis (und Bürger Schwarzenbergs) versuchten immer wieder die Demo anzugreifen. In ihren Augen legitim; auf der anderen Seite waren ja Terroristen.
Trumps Label als „Terror-Organisation“ erscheint uns lächerlich, zeigt aber Wirkung. Befeuert nicht zuletzt von den sozialen Medien, von allgegenwärtigen rechten Streamern, die ihre Version der Geschehnisse live in die Wohnzimmer bringen. Ohne Korrektiv durch Lokalzeitungen und -fernsehen. Befördert von den Akteuren der extremen Rechten vor Ort. Gegenkräfte? In der Provinz kaum vorhanden. Natürlich gibt es ein Mittel dagegen: Solidarität! Sie ist bitter nötig.
Kerstin Köditz, Landessprecherin
